Literatur und Kunst
 

   DAS FAMILY CONSTELLATION PROJECT

 
Family Constellation Project Es ist ein unglaubliches Projekt, das sich der Berliner Fotograf Alexander von Reiswitz ausgedacht hat, und es ist in Zeiten, wo die Patchwork-Familie sogar im Haus des Bundespräsidenten angekommen ist, aktueller denn je: Der Fotograf reist mit Assistent von Land zu Land und stellt da, an markanten Stellen im urbanen Kontext, Familien auf. Meist beginnt er mit einem älteren Herr, erläutert ihm sein Konzept, und gewinnt er ihn dafür, hilft dieser auch, aus dem Heer an unbekannten Passanten eine glaubwürdige Familie zusammen zu stellen. Die Menschen dieser Fotos sind alles mögliche, aber keine Familie. Und doch erscheinen sie auf den Bildern als eine schlüssige, häufig sich ähnlich sehende Menschengruppe. Bevor sie von Reiswitz auf der Straße auswählte und zu einer Gruppe zusammenstellte, die eine Familie darstellen soll, kannten sie sich noch nicht einmal.

Neben der Präsentation von großformatigen Schwarzweißfotografien hatte der Künstler bei diesem Projekt von Anfang an eine zweite Ebene im Blick: Die auf Fotopapier gebannten „Familien“ sollen durch Geschichten von Schriftstellern ein eigenes Leben bekommen. So ist das Ziel, für jedes der Bilder einen Autor als Paten zu gewinnen, der sich in den kommenden Monaten einen Text zu dem jeweiligen Bild ausdenkt und diesen niederschreibt. In der geplanten Publikation sollen dann Fotografie und Text eine Doppelseite füllen.

Bei der Literarisierung der zufällig auf den Straßen der Welt vereinigten Gemeinschaft geht es um eine Erdung der Fotografien, die Texte werden beim Rezipienten dazu führen, dass die Figuren nicht „in der Luft hängen“. Nach der Lektüre der Geschichte soll es die Familien in den Köpfen der Betrachter wirklich geben. So entsteht neben dem starren, unveränderbaren Bild auf der narrativen Ebene ein Gefühl für die Menschen, das weiter gehen kann, als es das bloße Bild vermag.

Texte und Bilder des „Family Constellation Projects“ werden in der Summe auch einen konsistenten Beitrag leisten zur bis heute virulenten Diskussion über die Glaubwürdigkeit von Fotografie. Der überwiegende Teil der Betrachter nimmt Alexander von Reiswitz die Familienbilder sofort als echt ab und zeigt sich nicht selten völlig überrascht, wenn er von dem konzeptuellen Ansatz des Projektes erfährt. Die Schriftsteller werden in ihren Texten sicherlich auch um die Frage der Glaubwürdigkeit kreisen.

Bei der Wahl der Textgattung soll den Schriftstellern keine Vorgaben gemacht werden, außer der, dass der Text auf eine Seite der Publikation passen muss, also nicht mehr als 10.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen) aufweisen darf: Vom Aphorismus über das Haiku bis zum klassischen Gedicht, von der Songstrophe über die Bildbeschreibung bis zur knappen Novelle – alle Textgattungen sind möglich. Wenn man Autoren wie die Amerikanerin Susan Sontag (1933 bis 2004), weltberühmt geworden durch ihren Essay On Photography (1977), als eine Art Patin des Projektes denken würde, dann liegt es auf der Hand herauszustellen, dass die Texte sowohl essayistisch ausfallen können, als auch literarisch in Form der vermutlich oft gewählten Kurzgeschichte.

Florian Koch koordiniert und lektoriert die literarischen Beiträge für Alexander von Reiswitz.

In diesem PDF ist der gegenwärtige Stand des Projektes und ein Großteil der Bilder zu sehen: PDF

www.familyconstellationproject.com